Augen zu, Spotlight an, Konzert los. Wenn eine Live-CD einen Eins-A-Entführer mimen kann, dann muss sie recht gut sein: Diagnose Stockholm-Syndrom. Was die Broilers mit „Santa Muerte Live Tapes“ alles richtig gemacht haben, erfahrt ihr hier:
Lange mussten die Broilers-Fans auf ein Livealbum warten. Bekannt für ihre hervorragende Bühnenperformance, ließ das Quintett aus Düsseldorf sich lange Zeit, bevor sie ihre Konzerte auf Platte pressten. Aber das Warten hat sich gelohnt. 31 Songs aus 20 Jahren Bandgeschichte verspricht die Doppel-CD. Knappe zwei Stunden gespielte Konzertliebe, bescheren mir und meinen Nachbarn ab sofort Wohnzimmerkonzerte. Die Live-Atmosphäre der Konzerte in Dortmund, Leipzig und Bremen kommt super rüber. Publikumschöre jubilieren hierbei genau richtig lang und laut. Manche Publikumsgesänge kommen nur als Garnitur zum eigentlichen Gesang unterschwellig durch die Boxen. Einziger Haken, der sonst so guten Abmischungen: Den Instrumenten (und zum Teil auch Sammys Gesang) wurden teilweise ein wenig zu viel Weichspüler hinzugefügt. Die ansonsten gesunde Mischung aus Punk, Oi, Ska und Reggea, rutscht ab und an ins Pop-Rockige ab. Dies stößt dem ein oder anderen „Die-Hard“-Fan auf. Die „alten“ Broilers werden im großen, weiten Internet vermisst. Doch von Silbermond und Co. ist die Band noch sehr weit weg. Außerdem schlägt die Liebe zu den Fans, vor allem den treuen Begleitern, oft in den 120 Minuten durch. Kleine Ansagen mit Anekdoten zeugen von Verbundenheit und Zuneigung. Deswegen ein kleiner Aufruf an die Altfans: Gönnt eurer Lieblingsband doch einfach den Erfolg. Teilen kann auch sehr schön sein. Nach so langer Arbeitszeit, sei ein Platz 3 in den Charts (Santa Muerte) und ausverkaufte Konzerte doch ein entsprechender Lohn. Schließlich tanzen sie ja weiter mit uns.
“Oh fuck Gänsehaut, das ist mir ein bisschen unangenehm!”, resümiert Sammy zum Ende. Gänsehaut überrascht mich auch zu oft beim Hören dieses Doppelalbums. „Santa Muerte Live Tapes“ ist mein neuer Begleiter in Bus und Bahn, auf Wiesen und Feldern (und natürlich daheim). Dabei musste ich schon häufig den Impuls unterdrücken, in Menschenansammlungen am Bahnhof zu springen oder auf der Domplatte im Kreis zu tanzen und skanken. Apropos Dom – als Kölnerin entwickeln sich dank Stockholmsyndrom langsam leichte Düsseldorf-Sympathien. Natürlich fehlt diesem Livealbum auch nicht die Köln-Düsseldorf-Feindlichkeit. Aber was soll’s. Wir sind ja schließlich alle Rheinländer.
Anspieltipps gebe ich ungern. „Santa Muerte Live Tapes“ stellt eine gute Mischung aus alt und neu dar. Die Stil-Dichte – bereits angesprochen – hält ebenfalls für jede Stimmung ein passendes Lied parat. Da „Tanzt du noch einmal mit mir?“ und „Meine Sache“ bereits zuvor meine Lieblinge waren und auch live auf Platte nicht enttäuschen, laufen diese Songs bei mir besonders oft. Zu empfehlen ist aber noch die dreiteilige Teaser Sammlung auf Youtube (oder der Broilers-Homepage) anlässlich des Albums. Mein Eindruck einer sympathischen und harmonisierenden Band verdichtet sich hierdurch nur noch mehr. Ich freu mich definitiv auf die Tourabschlusskonzerte in Düsseldorf und auf das Menschengulasch. Whohoooooooo…..
Jenny