“Chers Gesicht ist unser musikalisches Vorbild!” Interview mit Jennifer Rostock

Der Januar ist zwar schon etwas länger her, aber Winter ist ja immer noch. Anlässlich der vergangenen Tour diesen Winter, durften wir mit der Berliner Band Jennifer Rostock sprechen. Von Krankheiten geplagt und mit Sprechverboten sanktioniert, beantwortete nur der gesunde Teil der Band Alex (Gitarre) und Christoph (Bass) unsere Fragen rund um Livegefühle, Tourleben und abstruse Bastarde. Aber lest selbst:

Die Rostocker in AktionHallo Alex und Chris.  Wie sieht euer Tour-Alltag aus? 

Alex: Ich glaube langweilige Touren hatten wir noch nie.

Christoph: Also es gab mal Zeiten, so vor fünf Jahren, da haben wir es eindeutig übertrieben mit dem, was man so an Rock’n’Roll-Klischees bedienen kann. Aber wir haben jetzt ein ganz gutes Mittelmaß gefunden, dass sich unsere Lebenserwartung nicht drastisch verkürzt. Wir machen jetzt nicht mehr jeden Tag bis früh um sechs Uhr Party, so dass man nicht mehr gucken kann, wenn man ins Bett geht. Aber ab und an kommt das auch nochmal vor.

Alex: Wir mussten auch einfach ein gesundes Mittelmaß finden, denn wir sind mittlerweile ja auch professionell und es hängt etwas dran, aber ohne eben den Spaß an der Sache zu verlieren.

Und geht ihr euch nach einer gewissen Zeit auf die Nerven?

Christoph: Nee, also am Anfangen haben wir ja 150 Konzerte in drei Jahren gespielt. Aber es hat sich irgendwie nie großartig ergeben, dass wir uns mal auf die Nerven gingen. Klar gab es Streit mal hier und da, aber dann ist es am nächsten Tag auch meist wieder gut. Und was wir zum Beispiel gar nicht kennen, was aber andere Bands erzählen, dass man sich nach der Tour erst mal ein paar Wochen nicht sehen kann. Das hatten wir noch nie. Wir ergänzen uns auch als Team charakteristisch sehr, da weiß man, wenn man dem Anderen mal aus dem Weg gehen muss, wenn dem Anderen eine Laus über die Leber gelaufen ist.

Was können Fans auf euren Konzerten erwarten, die euch noch nicht live gesehen haben?

Christoph: Wir haben den Anspruch an uns, dass wir uns selbst auf jeder Tour überraschen, weil wir uns nicht langweilen wollen. Wir wollen jedes Mal etwas anderes machen. Wir sind auch keine Band, die auf die Bühne geht und ihre Sachen runter spielt. Wir wollen Konzerte spielen, wie wir auch eine Erwartungshaltung an Konzerte haben, auf die wir privat auch gehen würden. Klar geht es dabei auch um die Musik, aber ein Unterhaltungsprogram muss da auch stehen. Ich glaub man kann einen netten Abend erwarten. Diesmal haben wir einige Bands dabei. Das würde ich mir privat glaub ich auch anschauen wollen.

Und die nackten Tatsachen – gibt es die immer noch oder sind die ein Gerücht aus der Vergangenheit?

Christoph: Selbstverständlich nur noch ein Gerücht.

Was habt ihr nach der Tour geplant?

Christoph: Wir machen gar kein Stück Urlaub. Wir werden direkt nach der Tour anfangen  neue Songs zu schreiben. Der Plan ist, dass wir vor der Festivalsaison schon anfangen neue Sachen aufzunehmen. Die Aufnahme findet dann aber nicht zu Hause statt. Ob wir ins Ausland fahren, wissen wir noch nicht. Nur Hauptsache nicht zu Hause. Wir kennen das ja alle. Wenn wir jetzt in Berlin aufnehmen würden, dann heißt es von allen immer „Ich muss noch dies machen, ich muss noch das machen.“. Dieses Klischee, das man sich in einer Hütte zusammen einsperrt und dort an einer Platte schraubt, das macht auch Sinn.

Wo seht ihr euch in 5 Jahren?

Christoph: Wir haben aufgegeben uns Prognosen zu stellen.

Alex: Wir haben vor 5 Jahren auch nicht sagen können, wo wir jetzt sind.

Christoph: Wir haben auch bisher nur das Fazit gezogen, dass es sich einfach gut anfühlt, dass es nach 5 Jahren immer noch wächst. Es ist ja auch stetig gewachsen. Wir hatten jetzt nie auf einmal den krassen Hype, waren aber auch nie auf dem absteigenden Ast. Wir hoffen einfach, dass wir in 5 Jahren noch das alles so weiter machen können, wie wir es bisher gemacht haben.

Alex: Natürlich wollen wir irgendwann auf den Rockolymp. Aber da müssen wir noch etwas mehr üben.

Welchem Genre gehört ihr zu?

Christoph: Wir haben bisher vermieden uns in eine Schublade zu stecken und freuen uns immer über die Versuche anderer. Irgendwas mit Elektro-Hauptstadt-Glitter-Power-Pop. Leute werden kreativ. Aber ich kann es auch nicht sagen. Das ganze ist ja das Ergebnis aus dem, was wir alle fünf einbringen in diese Band. Jeder hört andere Musik. Natürlich gibt es da einige Schnittstellen. Von Indie über Elektro bis Punk-Hardcore wird alles gehört. Und wenn dann alle ganz dolle miteinander Knutschen, dann kommt das dabei raus, was wir jetzt so gerade sind. Das – UND CHER!

Ihr habt eine Fußmatte in eurem Tourmerchandise – wieso? Seid ihr gerne der Fußabtreter, oder wollt ihr euer Revier markieren?

Alex: Normalerweise machen wir unseren Merchandise immer komplett selbst. Aber das war nicht unsere Idee. Da kam jemand auf die Idee und wir fanden es total bescheuert, wenn sich Leute auf unserem Bandnamen die Füße abtreten. Da fanden wir die Aussage echt doof. Aber die andere Partei, die es haben wollte, hat dann einen Kompromiss gefunden, dass unser Name nur in der Ecke steht und der Hundemist dann nur auf dem Smiley, dem Tourlogo, abgetreten wird.

Ihr habt auch eine Hater-Kollektion. Wie kam es dazu und was sagen eure Fans?

Christoph: Gerade im Internet, bei Youtube, wo jeder seine Meinung mehr oder weniger anonym kund tut, wurde der Hass über uns teilweise extrem ausgelassen. Da waren dann Sprüche wie „Mit weniger Metall in der Fresse…“ dabei, die wir 1:1 auf T-Shirts übernommen haben. Damit haben wir den Leuten zum einen ein wenig den Wind aus den Segeln genommen, aber auch gezeigt, dass wir uns selbst nicht so für ernst nehmen. Unsere Fans haben die T-Shirts auch. Wir hatten ja auch eine Lovers-Kollektion. Da konnte sich jeder für seine Seite entscheiden. Und wenn der große Bruder die Band scheiße findet, hat man auch direkt ein Weihnachtsgeschenk. Wir nehmen allen das Geld aus der Tasche (lacht).

Alex: Da könnte die Fußmatte eigentlich dazu genommen werden!

Jennifer Rostock in KölnHallenkonzerte oder Festivalauftritt – was spielt ihr lieber?

Alex: Wenn das Wetter gut ist, spiele ich lieber Festivals, wenn nicht, dann find ich Hallen gut. Das würde aber jetzt jeder Musiker sagen.

Christoph: Es ist schwierig, dazu eine Antwort zu finden. Aber das sind komplett verschiedene Sachen. Bei einer Clubtour, weißt du die Leute kommen, um deine Musik zu hören. Bei dem Festival hat man einen andren Anspruch. Da musst du Leute überzeugen, die mit der Band bisher nichts am Hut hatten. Das sind zwei verschiedene Publikumstypen.  Aber Festivals machen einem als Musiker sehr Spaß. Da trifft man auch andere Kollegen, kann andere Bands sehen, die man gerne mal sehen würde. Clubs bevorzuge ich aber zu großen Hallen, natürlich.

Ihr habt auf der DVD auch mit anderen Künstlern zusammen gearbeitet wie Jupiter Jones und Sido, aber auch mit unbekannteren Künstlern, wie Frau Potz. Wie kam es zu der Zusammenarbeit und findet ihr den Support von jüngeren Bands wichtig?

Christoph: Die Zusammenarbeit mit Frau Potz hat ihren Ursprung auch in Festivals. Mit der alten Band von Felix, Escapado, haben wir früher schon mal zusammen gespielt und wir haben uns gut verstanden. Und so kam es dazu, dass wir neben Künstlern wie Sido, bei der DVD-Aufnahme auch Musiker  genommen haben, die so noch keiner kennt. Welche, die dann scheinbar auch ihren Punkrockstatus in Frage stellen und mit uns Musik machten. (lacht)

Ich finde es enorm wichtig, auch auf Tour Bands mitzunehmen, die man selber geil findet. Die will ich den Leuten dann auch präsentieren. Das kann aber auch total nach hinten losgehen. Wir hatten auch schon Bands dabei, die wir selbst total gut fanden, das Publikum aber nicht. Das tut mir dann auch für die Bands leid.

Wer hat euch zu Beginn unterstützt?

Christoph: Wir hatten immer den Luxus, dass wir nie großartig Supportshows spielen mussten. Wir waren nur bei Lindenberg dabei.

Alex: Da waren noch einige nicht so große Bands, die uns mitgenommen haben in die coolen Städte, in die coolen Clubs. Das war für uns auch ein Sprungbrett.

Was unterscheidet euch von allen anderen deutschen Bands mit Frontfrauen?

Christoph: Wir kommen nicht in der bundesdeutschen Radiohörerschaft an. Das ist okay. Wir sind doch etwas deutlicher in Sparten unterwegs und nicht massenkompatibel.

Geht ihr selber gerne auf Konzerte?

Alex: Wir gehen alle super gerne auf Konzerte. Die Stilrichtungen sind durch die Bank weg aber unheimlich unterschiedlich.

Christoph: Es gibt bei mir auch überhaupt keinen roten Faden. Ich schau mir auch gerne total abstruse Sachen an. Letztes Jahr war ich zum Beispiel bei Helene Fischer und zwei Wochen später bei Kreator. Das Kreator-Konzert ist auch mein all time Favorit.

Jennifer macht sich ja auch für PETA stark. Wie weit geht eure Tierliebe?

Christoph: Unsere Tour ist das erste Mal vegetarisch und vegan. Also es gibt diesmal gar kein Fleisch. Jennifer isst wohl noch biologisch vertretbares Fleisch, die genaue Bezeichnung weiß ich aber nicht, weil ich einer dieser Nichtfleischesser bin.

Alex: Der Trend geht auf jeden Fall gegen Fleisch. Ich esse genauso wie Jennifer nur noch ganz selten Fleisch. Es macht auf jeden Fall Sinn, also go for it.

Christoph: Unser Catering ist total großartig. Auf den bisherigen Touren gab es für die Vegetarier nur die Beilagen. Das hat sich jetzt schlagartig geändert.

Wer sind eure Vorbilder?

Christoph: Musikalisch haben wir tatsächlich nichts, auf das wir uns einigen könnten. Ich finde es schwierig.

Alex: Das müsste so ein Bastard sein aus allem möglichen.

Christoph: Wir könnten ja mal einen basteln und schicken ihn euch dann zu – Unser Allstarteam sozusagen. Aber Cher singt auf jeden Fall auch mit. Ja, der Bastard braucht das Gesicht von Cher. Musikalisch ist Chers Gesicht definitiv unser Vorbild.

Wir bedanken uns für das ausführliche Interview mit der kränkelnden Mannschaft und freuen uns auf gesunde Konzerte in der Festivalsaison. Vielen Dank.

Jenny