Tag 1:
Es ist Donnerstag. Vor zwei Tagen haben Tobi, Sabrina und ich beschlossen, dass es heute nach Weinheim geht und gerade mal einen Tag später nach Stuttgart, um da unten, im Süden Deutschlands, die Konzerte von Massendefekt zu besuchen, die aktuell mit Benzin zusammen auf Tour sind. Ich hab außerdem beschlossen, vorher noch Blutspenden zu gehen, denn das versuch ich seit 2 Monaten und immer kommt irgendetwas dazwischen. Also ist frühes Aufstehen angesagt, denn um 12Uhr stehen die zwei vor meiner Tür und auf geht’s! Die Vorfreude ist riesig. Von Benzin kenn ich ‘ne Menge und wäre auch nur für die Jungs losgefahren. Von Massendefekt kenn ich offensichtlich noch nicht genug (so richtig eigentlich nur das neue Album “Tangodiesel”), soll sie aber noch lieben lernen.
Die Fahrt verläuft problemlos und nach etwa dreieinhalb Stunden sind wir auch schon in Mannheim. Hier verbringen wir heute die Nacht, denn Ska (ohne Witz, der Kerl heißt so 😉 ) hat uns liebenswürdigerweise eingeladen, in seiner Studentenbude zu übernachten. Dies tatsächlich, obwohl wir den Guten auch erst seit zwei oder drei Wochen von einem Konzert in Frankfurt kennen (an dieser Stelle nochmal ein dickesfettes DANKE an den Besten). Die Parkplatzsuche ist dann nicht ganz so problemlos, wie die Hinfahrt an sich. “Kostenlos” kann man hier getrost knicken. Doch auch als wir uns damit abgefunden haben, wird es nicht leichter. “Maximale Parkzeit 3h” ist denkbar ungünstig, um sein Gefährt bis zum nächsten Morgen abzustellen. Also suchen wir eine gefühlte Ewigkeit weiter und werden erst fündig, als wir herausgefunden haben, dass Parkhäuser in Mannheim nicht zwingend IN Häusern sind, sondern auch mal so ausschauen, wie etwas, das wir schlicht Parkplatz nennen würden. Froh um diese Erkenntnis wird das Auto abgestellt und wir trinken erst einmal ein kühles Blondes, um uns selbst für unsere herausragende Leistung zu feiern. Ein leichtes Kribbeln im Bauch erschleicht uns zudem, da es die Überraschung, was der Spaß nun tatsächlich kostet, ja erst am nächsten Morgen geben wird (hätten wir auch noch versucht, das Preisschild zu verstehen und uns die Gesamtkosten auszurechnen, wären wir vermutlich zu spät zum Konzert gekommen).
Skanders Haus wird auch irgendwann gefunden, die Sachen abgeliefert und ein wenig später geht es dann mit der Straßenbahn nach Weinheim zum Ort des Geschehens. Vor’m Edeka fragen wir noch eine Truppe, die rein äußerlich durchaus so ausschaut, als hätte sie das gleiche Ziel wie wir, nach dem Weg. Aber dieser Club “Café Central” lässt sich irgendwie alles andere als leicht finden. Wenn man nun 5 weitere Weinheimer nach dem Weg fragt, kann es durchaus passieren, dass man 7 verschiedene Auskünfte bekommt, wo sich dieser ominöse Club denn nun befindet. Wir werden ein wenig nervös, denn um 20Uhr haben wir tatsächlich einen Termin für ein Interview mit Benzin, was Sabrina und mich sowieso schon relativ unentspannt sein lässt (Tobi war so nett, uns dies einen Abend vorher mitzuteilen). Auf wundersame Weise schaffen wir es aber doch noch gegen viertel vor Acht die Pforten der heiligen Hallen zu entdecken und gehen einfach mal hinein. Eine Dame weist uns daraufhin, dass noch kein Einlass sei. Wir weisen daraufhin, dass wir quasi eine Verabredung haben. So dürfen wir auch oben stehen bleiben. Sebastian, der Sänger und Gitarrist von Benzin, erscheint irgendwann mit einem Teller vor uns, um sich offensichtlich eigentlich noch etwas zu essen zu holen. Er sieht erst Tobi, dann den Rest von uns und begrüßt uns mit einem freudigen “ach IHR?!”. Wenig später holt er Hutti, seines Zeichens Schlagzeuger der Band, aus einem der hinteren Räume und wir bekommen unser sehr unterhaltsames Interview.
Anschließend sind wir bestens gelaunt und glücklicherweise soll es auch nicht mehr lang dauern und das erste Konzert unserer Tour beginnt – endlich.
Massendefekt und Benzin – Café Central Weinheim am 23.02.2012
An der Theke soeben das Problem “wir kennen das Bier in Baden-Württemberg nicht” durch ein “Geben Se uns irgendwat…Hauptsache Bier” gelöst, stehen wir nun grinsend und in freudiger Erwartung links vor der Bühne. Im Publikum haben wir bereits Leute entdeckt, die noch vor nicht allzu langer Zeit in Ulm bei der CD-Release-Party ebenfalls zugegen waren und auch sonst lässt sich das ein oder andere Benzin-Shirt unter der noch nicht allzu großen Masse entdecken. Endlich geht das Licht aus und die Stimme Honeckers erklärt uns, was Besitzer des neuen Albums “Chor der Kaputten” längst wissen:
“Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, kopieren müssen? Liebe Genossen, mit der Monotonie des‘Yeah Yeah, Yeah’ und wie das alles heißt, sollte man doch endlich Schluss machen”
Dann erklingen die ersten Töne des ersten Songs der CD, und ich freu mich nur noch. Ein Ohrwurm nach dem anderen, größtenteils vom neuen Album, wird gespielt (ist nicht so schwierig, denn es handelt sich bei fast allen Songs um solche mit Ohrwurmpotenzial).
Ramona, ein Mädel, das wir rein optisch schon aus Ulm kennen und mit dem wir uns später noch sehr nett unterhalten werden, hat die Setlist im Vorfeld einfach mal um den Song “Kinder von Benzin” erweitert. Sebi nimmt dies selbstverständlich war (vor allem, weil es wohl nicht das erste Mal ist 😉 ), gesteht, dass sie den Song jedoch eigentlich gar nicht mehr spielen könnten und widmet darum wenigstens den nächsten Song “Bewegung” einzig und allein Ramona. Die gibt sich auch damit sichtlich zufrieden und ich freu mich über den nächsten tollen Song, der dieses Mal jedoch nicht vom neuen Album ist. Auch “Streichholzschachtelmasterplan” und vielleicht noch der ein oder andere ältere Song werden zum Besten gegeben, insgesamt ist es aber doch sehr “Neues-Album-lastig”, was jedoch in keiner Weise negativ gemeint und so kurz nach dem Album-Release auch nur völlig normal ist.
Ich selbst, Freundin des gepflegten Pogos, geselle mich immer wieder zu den 2-5 unrhythmisch gegeneinander springenden Menschen im Tanzkreis, muss jedoch feststellen, dass die morgendliche Blutspendeaktion außer einer gratis Cola und einem Bütterchen auch einen ziemlichen Verlust der Kondition mit sich bringt. Nach jeweils nur wenigen Sekunden wird mir immer relativ schummrig und schlecht und ich muss wieder und wieder Pausen einlegen. Egal, was soll’s. Dann poge ich halt Etappenweise…
Als letzten Titel gibt es den gleichnamigen Song zum Album “Chor der Kaputten” und dann war es das mit Benzin auch schon – für heute zumindest.
Ich bin bereits ziemlich platt…schnell nochmal was trinken und das Shirt abholen, dass ich mir am Stand zuvor bereits gesichert habe, weil es das zuletzt in Köln nicht mehr gab.
Ich hab mich vertan, ich bin nicht nur ziemlich platt, sondern absolut platt, völlig fertig und ausgelaugt. Darum geh ich zunächst mal hinaus aus dem Raum. Da treffe ich auch Sabrina wieder und wir quatschen mit Ramona und ihren beiden Freunden, tauschen, wie in Zeiten von Social Networking üblich, noch schnell die dafür nötigen Daten aus und ich entscheide mich irgendwann, wieder hinein zu gehen. Schließlich soll es gleich noch mit Massendefekt weitergehen.
Die ersten Songs von Massendefekt gehen ziemlich an mir vorbei. Ich bin platt (wie ich sicherlich schon erwähnte) und stehe darum zunächst mal ganz hinten in der Nähe von Merch und Bar. Dann kommt jedoch “Wellenreiter” vom neuen Album “Tangodiesel”. Da kann doch kein Mensch still stehen bleiben! Und so schmeiße auch ich mich wieder in die wilde Meute. Die Zahl der unrhythmisch gegeneinander springenden Menschen hat sich deutlich vergrößert. Ich bin ziemlich beeindruckt, weil auch ein Rollstuhlfahrer immer wieder in den Kessel fährt und fröhlich mitmacht. Super! Einmal flieg ich zwar leider rückwärts in hohem Bogen über ihn, aber es ist ja nicht so, dass ich bei dem Spaß nicht sowieso diverse Male den Boden von ganz Nahem sehe. Wirklich lang kann ich aber immer noch nicht am Stück rumhüpfen, Pausen sind noch immer angesagt. Vor allem, weil es nun doch noch ‘ne Ecke wilder zugeht als vorhin. Hin und wieder springen mir noch zwei Geschlechtsgenossinnen entgegen, ich bin nämlich nicht mehr das einzige Mädel, das blaue Flecken nicht scheut. Auch das zu sehen freut mich. Was für ein riesiger Glücksfall es für mich noch werden sollte, ausgerechnet diesen zwei lieben Menschen hier zu begegnen, soll sich erst später herausstellen.
Massendefekt ist, wie zu erwarten, eine Spur härter als Benzin zuvor. Nicht ganz Sabrinas Ding, die eigentlich das komplette Konzert draußen verbringt. Tobi und ich haben aber durchaus Spaß. Live habe ich bei Massendefekt leider nicht so die Vergleichsmöglichkeiten. Von den CDs weiß ich aber, dass die Songs von Sebi gesungen (bitte keine Verwechslung mit dem Sänger, über den ich weiter oben bereits berichtet habe 😉 ) noch eine deutlich härtere Note bekommen, als vom damaligen Sänger Ole. Den Leuten hier gefällt es trotzdem. Mir auch!. Nur hoffe ich schon jetzt, am nächsten Tag nicht mehr ganz so sehr die Folgen des halben Liter Blutverlusts zu spüren. Ich will am nächsten Tag unbedingt auch bei dieser Band noch mehr Zeit vorne verbringen können.
Nach dem Konzert lass ich mir noch eine ergatterte Setlist signieren. Ich treffe dabei auf Sandra, eine der Pogodamen, und wir unterhalten uns kurz. Wir stellen fest, dass wir uns am nächsten Tag in Stuttgart wiedersehen werden. Als sie mich fragt, ob wir uns noch einen weiteren Tag später auch in München sehen werden, muss ich passen. Tobi muss Samstag arbeiten, nach Stuttgart ist also die Heimreise angesagt. Sandra erwähnt auch einen noch freien Platz im Auto ihrer Reisegruppe Ich nehme das erstmal so hin, wir vereinbaren, dass wir ja am nächsten Tag noch quatschen könnten und verabschieden uns. Anschließend sagen wir noch allen bekannten Gesichtern “Tschöö und bis morgen” und dann nehmen wir die nächste Bahn zurück in Richtung Bett.
Ein erster sehr gelungener Konzertabend ist zu Ende.
Tag 2
Ich erwache viel zu früh auf einer Ausziehcouch in Mannheim. Die Welt dreht sich noch ein wenig um mich, Restalkohol und Schlafmangel könnten der Grund sein. Ich warte einfach, bis die anderen auch irgendwann aufwachen. Auf Frühstück verzichten wir, nutzen nur nacheinander die Dusche und ich entdecke wunderschöne Farben an verschiedene Stellen meines Körpers. Um die Parkpreise möglichst günstig zu halten, haben wir uns vorgenommen, bis 10Uhr die Stadt verlassen zu haben. Das kriegen wir auch so ziemlich hin und schon bald verabschieden wir uns von Ska und sitzen wieder zu dritt im Auto, dieses Mal in Richtung Stuttgart. Die Fahrt macht erneut keinerlei Probleme und das Navi führt uns ganz in die Nähe des Bahnhofs der Stadt, wo wir uns auf die Suche nach einer Parkgelegenheit machen. Die nächst beste Lücke wird genutzt. Noch etwas unsicher fragen wir einen Anwohner, ob man hier kostenfrei stehen dürfe. Der gratuliert uns, dass wir weit und breit die einzige Straße gefunden hätten, in der das tatsächlich so sei. Sauber!
Es ist mittlerweile etwa 13Uhr. Langsam knurrt der Magen in einer Lautstärke, die selbst Massendefekt kaum noch überbieten können und so ziehen wir los, um die Lärmbelästigung für die uns umgebenden Mitmenschen zu beseitigen. Wir sind vielleicht fünf Minuten in Stuttgart unterwegs, da treffen wir schon die Vierertruppe aus Weinheim. Sandra und Chrissi sind meine zwei Pogo-Bekanntschaften. Außerdem sind nun noch Holger und Kathi dabei. Wir beschließen alle zusammen, erst mal am Club vorbei zu gehen und danach eine Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme zu suchen.
Als wir herausgefunden haben, wo der Club ist, müssen wir feststellen, dass das mit dem “erst mal die Location checken” nicht ganz so einfach wird. Denn das, was ich bisher nur als “Stuttgart 21-Szenerie” aus Funk und Fernsehen kannte, sehe ich nun live und in Farbe. Der Landespavillon, in dem das Konzert stattfinden soll, ist mittig in dem abgesperrten Bereich, in dem es zuletzt so viele Demonstrationen gegeben hat, weil dort die Bäume für die Maßnahme des Bahnhofsumbaus weichen sollen.
Auch gut, dann sehen wir den Ort halt erst heute Abend von nahem. Mir ist es recht, denn das bedeutet nun, dass wir als nächstes ENDLICH irgendwas futtern gehen. Nachdem wir im Kaufhof noch gratis Jägermeister abgestaubt haben, essen wir in der Fußgängerzone Stuttgarts Pizza. Die Sonne scheint und es kommt einem unheimlich warm vor. Zeitweise laufe ich sogar nur im T-Shirt herum (gut, dass Mama das nicht sehen kann).
Holger fragt mich irgendwann, was wir denn nun machen würden. Die anderen Mädels wollen sich vor’m Konzert nochmal im Hotel auf’s Ohr hauen. Holger will das nicht und wir können das nicht, aus Mangel eines Hotelzimmers. Also fassen wir den Entschluss, uns mit Getränken einzudecken und irgendeinen Platz in der Sonne zu suchen. Gesagt, getan. Wir sitzen (so richtig schön “Klischee”) mit Bier in der Hand auf einer Parkbank, von der aus es eine Top-Aussicht auf die Hundertschaften der Polizei und die Demonstranten rund um den Bahnhof gibt. Tobi und Sabrina machen sich noch auf den Weg, um die Röhre zu fotografieren, so lang sie noch existiert, während wir uns das “Rettet die Bäume – Spektakel” von oben anschauen.
Aufgrund meiner Bierwahl fragt Holger mich, woher ich denn nun genau käme. Wir stellen fest, dass wir beide gebürtige Duisburger sind und feiern unser Heimatbier. Auch fragt er mich, wie es nun mit München ausschaue:
jaaah, geht nicht, Tobi muss arbeiten. – also wir hätten noch einen Platz frei – jaah, aber ich hab gar nimmer genug Kohle – Spritgeld musst du nicht wirklich zahlen, ist ein Firmenwagen – jaah, aber wo soll ich denn pennen – das kriegen wa schon hin. Ich teil mir einfach ein Bett mit Kathi und du nimmst das andere. – jaaah…: VERFLUCHT, mir fallen keine Gegenargumente mehr ein!
Ich mach mir nur Sorgen, dass Sabrina oder Tobi echt sauer sein könnten, wenn ich sie allein heimfahren lasse. Der Gedanke an München umkreist mich nun jedoch in einer Tour. Die Chance ist einfach zu gut.
Der Abend wird später und die drei nun, zumindest als wir, ausgeruhteren Mädels stoßen wieder zu uns. Das restliche Bier wird noch zusammen vernichtet und die Flaschen schön säuberlich für den nächsten Pfandsammler aufgereiht. Dann geht es die Treppen hinunter, auf zum Konzert. Die letzten Bäume stehen nicht mehr, was irgendwie auch unser Glück ist, da wir nun auf das Gelände dürfen. Noch vor Einlass kommt Sabrina auf mich zu und sagt, sie sei höchstens enttäuscht, selbst nicht nach München zu können (ohne Tobis Arbeitsdate wären wir vermutlich spontan einfach alle zusammen gefahren), sie aber nichts dagegen habe, wenn ich die Chance nutzte. Ich bin ihr unheimlich dankbar.
Damit steht es: für mich geht es morgen also auch noch nach München! WOHOO! Aber nun erst einmal Stuttgart…
Massendefekt und Benzin plus Mom’s Day- Stadtpavillon, Stuttgart am 24.02.2012
Wenn man den Landespavillon betritt, landet man direkt gegenüber einer Bar. Sehr praktisch wie ich finde. Einmal ums Eck geht es dann in einen länglichen Raum, an dessen Ende sich eine kleine Bühne befindet. Heute spielen neben Massendefekt und Benzin auch noch Mom’s Day. Ich weiß nicht mehr so genau, was ich während der Zeit alles genau mache…vermutlich diverse Male die Toilette besuchen, Bier trinken und mit Menschen quatschen. Jedenfalls gehe ich immer wieder hinein, um Mom’s Day zu hören, bin aber nicht durchweg vor der Bühne und das, obwohl das, was ich so höre, mir eigentlich gut gefällt. Sollte ich diese Band nochmals irgendwo live zu hören kriegen, werde ich aufmerksamer sein, versprochen.
Dann folgen auch schon Benzin. Zeit die Ärmel hochzukrempeln! Es kommt schnell Bewegung in die Beine der Musikliebhaber der vorderen Reihen und der erste Pogo lässt nicht lange auf sich warten. Ich freue mich, dass dies hier in Stuttgart ganz von allein und selbstverständlich von jetzt auf gleich der Fall ist und niemand zunächst verhalten auf die Bühne starrt. Ich selbst poge, tanze und singe darum von Beginn an in einer Tour durch, kriege kaum mit, was sonst noch so auf der Bühne geschieht. Irgendwann muss ein junger Punk nochmal auf der Bühne gewesen sein…jedenfalls ist das später auf den Fotos zu sehen. Ich erinnere mich selbst im Nachhinein tatsächlich immer noch nicht wirklich daran, Die Setlist scheint die gleiche zu sein wie gestern in Weinheim, ist ja aber auch nicht für so Leute geschrieben, die nichts besseres zu tun haben, als drei Tage nacheinander auf Konzerte der gleichen Bands zu gehen. Noch bin ich wieder relativ allein mittig vor der Bühne, um die Pogo-Ehre der Damenwelt zu vertreten. Manchmal glaube ich, muss ich den Kerlen um mich herum dann erst zeigen, dass ich durchaus weiß, was ich da mache und kleinere Blessuren nicht scheue. Erst wenn ich wie eine absolut Bekloppte mit Anlauf im Vollspurt gegen den ein oder anderen Herren gerannt bin, wird dies meistens verstanden. Benzin beenden ihren Auftritt wieder mit “Chor der Kaputten” und ich hab die Chance, nochmal zum Luft schnappen den kleinen Raum zu verlassen. Dort lachen mich meine neuen Bekannten erstmal aus, denn ich sehe bereits aus, als sei ich soeben mindestens einen Marathon gelaufen. Ich bin knallrot im Gesicht und bis auf das letzte Kleidungsstück durchnässt. Dieses Mal bin ich jedoch pünktlich zum Beginn von Massendefekt wieder am Start. Es geht los mit “Überlebt” und endet erst ganze 22 Songs später mit “Massendefekt”. Erneut tanze, poge, gröhle, springe und singe ich mit, was mein Körper hergibt. Das sind noch nicht hundert Prozent, aber doch mehr, als ich gestern zu leisten im Stande war. Nur einmal verlasse ich den Raum erneut, um mir etwas zu trinken zu besorgen. Ich sehe Sandra, wir gehen zusammen wieder direkt vor die Bühne und beschließen, dass es Zeit zum Surfen sei. Ich leg vor, blöderweise verschwinden die meisten mich Tragenden dann erstmal und Sandra und ich können nicht wie geplant zusammen Wellenreiten (Achtung: Songtitelwortspiel versteckt 😉 ). Dann verliere ich den Anschluss zu ihr wieder. Hinterher erfahre ich, dass sie sich mit ihrem sowieso schon lädierten Knie blöd vertreten hat, die Arme…ich habe nur mal wieder nichts davon mitbekommen. Ich selbst stelle dafür fest, dass ich Nietengürtel sowie Nietenarm-, und Halsbänder in Moshpits relativ doof finde. Ein Vertreter, der offensichtlich anderer Meinung ist oder sich denken mag, so lange er selbst der Träger sei, kann es ja nicht groß weh tun, befindet sich jedoch blöderweise immer wieder direkt in meiner Nähe. Einmal bekomme ich sein Armband schön durch’s Gesicht gezogen und ein Kratzer auf meiner rechten Wange ziert nun mein Gesicht. Aber was soll’s.
Breit grinsend umarme ich nach dem Konzert meine Freunde. Ich bin platt und kriege kaum noch einen Ton raus. Meine Stimme pogt wohl allein noch eine Runde weiter. Sebi (der Benzin-Sebi, nicht der Massendefekt-Sebi 😉 ) und ich stellen nach dem Konzert im Vorraum darum noch fest, dass einer von uns beiden am nächsten Tag dringend Halsbonbons mitbringen sollte.
Dann ist unser zweiter Tourtag auch schon so gut wie vorbei…allerdings nur so gut wie. Nachdem Kathi, Tobi , Sabrina und ich zum Auto gegangen sind, um meinen Kram herauszuholen und Tobi und Sabrina zu verabschieden (nochmal DANKE an die beiden), gehen wir zurück in Richtung Landespavillon, wo eine ganze Meute bereits auf uns wartet. Anschließend gehen wir alle eine gefühlte Ewigkeit, um vor einer Kneipe zu landen, wo das ein oder andere Bier noch genüsslich getrunken wird. Kathi wird an dem Abend noch offiziell zu meiner Schwester erklärt (Zwillinge übrigens) und als es den Anschein macht, dass der Laden langsam dicht macht, machen Holger und wir zwei Schwestern uns auf den Weg zurück. Der Taxifahrer meckert die Fahrt durchgehend mit uns, warum man so eine kurze Strecke denn nicht laufen könne (die Stuttgarter Taxifahrer scheinen sehr Umweltbewusst) und auch unsere Erklärung, dass wir absolut erschöpft seien und uns doch hier nicht auskennen bringt ihn nicht von seiner Meinung ab. Vor der Pension treffen wir noch Sandra rauchend vor, sagen gute Nacht und gehen schlafen. Zwei zusammengeschobene Betten bieten zum Glück genug Platz für uns drei und nun ist der zweite Tag offiziell beendet.
Tag 3
Ich wache schon wieder zu früh auf. Warum mein Körper das tut, versteh ich nicht, denn eigentlich müsste ich die nächsten drei Tage locker durchschlafen können. Mein Hals kratzt komischerweise und beim vorsichtigen Versuch stelle ich fest, dass meine Stimme, das versoffene Stück, nach dem Solo-Pogo im Stadtpavillon scheinbar noch auf die Rolle gegangen ist. Na schön, dann werd ich heute wohl ohne sie auskommen müssen.
Als der Zeitpunkt kommt und wir uns endlich alle aus unserem Bett erheben, bemerke ich, dass ich ausschaue, als ob mindestens zwanzig sehr neugierige kleine Kinder in einer Tour mit ihren Fingern auf meinem Armen rumgedrückt hätten…jedes immer auf einer Stelle. Meine oberen Extremitäten sind übersäht mit blauen Flecken. Das sieht reichlich blöd aus, wie ich finde, lässt sich aber wohl nicht ändern. Ich erinnere mich an den Kollegen mit den Nietenarmbändern – das dürfte an dieser Stelle einiges erklären. Nach einer heißen Dusche fühle ich mich wieder etwas menschlicher und als wir alle fertig sind, verlassen wir die Pension und suchen einen Bäcker auf. Etwas zu essen und ein schön großer starker Kaffee sind imstande, wenigstens ein paar Lebensgeister in mir wieder zu wecken. Noch ist es mir jedoch ein Rätsel, wie ich heute Abend zum dritten Mal nacheinander so ein Konzert überstehen soll…allerdings war es das vor dem Konzert gestern auch schon, was mir sagt, irgendwie wird es schon gehen. Schließlich machen wir es uns zu fünft im Auto bequem, was dafür sorgt, dass es muckelich warm ist.
Die letzte Etappe nach München steht an. Der Verkehr ist uns zeitweise nicht ganz so gut gesonnen und es geht nur schleppend voran. Bei einer Zigaretten- und Pinkelpause auf einem Parkplatz fährt dann tatsächlich der Kleinbus von Massendefekt an uns vorbei. Wir fahren weiter und lediglich einen Parkplatz weiter erblicken wir den Kleinbus erneut…dieses Mal brauchten die Herren Massendefekt scheinbar ein Erleichterungspäusschen und wir fahren laut hupend und ein wenig grinsend an ihnen vorbei.
In München angekommen suchen wir zuerst die Pension auf, in der zumindest die Hälfte von uns heute nächtigen wird und finden danach einen Italiener, bei dem wir sehr lecker essen. Anschließend geht es in die Münchener Innenstadt. Bereits am Geldautomaten erfahre ich, dass München wohl tatsächlich ein teures Pflaster ist, denn das Gerät will mir so Kleingeld wie 50€ gar nicht erst auszahlen und so bin ich gezwungen, mindestens 100 Euronen abzuheben. Na meinetwegen.
Ein wenig Kultur ist dann auch noch angesagt und zumindest das Münchener Rathaus und das Hofbräuhaus schauen wir uns an. Weil das Bier hier aber eindeutig zu teuer und der Laden eindeutig zu voll mit Schalker Fans ist, gehen wir schließlich zum nächstbesten REWE, besorgen uns dort etwas zu trinken und ich für meinen Teil ein paar Hustenbonbons. Die Dame an der Kasse schaut nicht mal annähernd erstaunt, als ich zwei Bier und ein paar Bonbons mit einem Hunderteuroschein bezahle. Ob sowas hier alltäglich ist? Hatten wir zuvor München allerdings noch als sehr schön empfunden, beschließen wir nun dies zu revidieren, weil wir weder Sandras gewünschten Tabak, noch vernünftiges Bier erhalten. Darum laufen wir jetzt mit warmem Dosenbier wie zu besten Festivalzeiten durch München und ich amüsiere mich darüber, dass einige Chickimickiweiber sich scheinbar ein wenig über unsere Existenz erbrüsten. Ein Blick auf die Uhr verrät uns letztendlich, dass es tatsächlich schon Zeit ist, zum Club zu fahren. Konzert Nr. 3 steht auf dem Plan!
Massendefekt und Benzin – Backstage München am 25.02.2012
Als wir am Backstage ankommen, ist bereits Einlass. Neben dem Konzert, für welches wir hier antanzen, findet nebenan scheinbar noch eine andere Veranstaltung statt. Wir selbst steuern einen Raum des Clubs an, der mittig eine runde, aber relativ kleine Fläche bietet und dafür eine sehr hohe Bühne hat. Eine Treppe führt zu einer kleinen Empore hinauf. Vermutlich wird dieser Teil des Backstage, wie in vielen anderen Locations auch, für gewöhnlich als Disco genutzt. Ich lerne wieder neues Bier kennen, denn was es hier so zu kaufen gibt, sagt mir mal wieder nichts. Egal. Der Vorverkauf für das Konzert lief gut und es füllt sich allmählich. Dann betreten auch schon Benzin die Bühne. Als diese loslegen, ist das Publikum zunächst noch ein wenig verhalten. Ich selbst bin, vermutlich aus Freude und dank Alkohol, auch am dritten Tag fit genug und meine Beine fangen fast von selbst an zu zucken…also ab in die Mitte! Glücklicherweise denken ein paar andere nämlich nun doch auch so. Einzig ein glatzköpfiger kleiner Kerl übertreibt es ein wenig und springt immer wieder wild um sich schlagend auf die anderen Pogenden und mich zu. Mit reinem Pogo hat das jedenfalls nicht mehr allzu viel zu tun.
Es hält mich trotzdem nicht davon ab, selbst weiter zu machen, nur achte ich mehr darauf, den fliegenden Fäusten nicht zu nah zu kommen. Nach dem Auftritt von Benzin schwanke ich zu Sebi und drücke ihm ein Hustenbonbon in die Hand…schließlich hatten wir das am Tag zuvor so vereinbart. Der grinst nur, bedankt sich und meint, er habe auch welche bei.
Massendefekt geben anschließend, wie die letzten Tage gewohnt, ordentlich Gas. Die Menge tobt inzwischen ganz gut. Mein kahlköpfiger Freund treibt es aber doch allmählich zu weit und verdirbt dem ein oder anderen ein wenig den Spaß. Grund genug für mich, einen Herren der Security mal dezent auf den Zeitgenossen aufmerksam zu machen. Was genau dieser ihm dann erzählt, weiß ich nicht. Er zieht sich jedoch aus dem Kreis zurück und ich habe nicht mehr ganz so viel Angst vor einem Nasenbein- und oder Kieferbruch. Kathi steht währenddessen allzeit bereit mit meinem Bier am Rand und immer, wenn ich mal einen Schluck brauche, muss ich nur zu meiner neuen Schwester stolpern und schon hält sie es bereit. Perfekt! Wo Chrissi eigentlich ist, weiß ich nicht und Holger sehe ich nur zeitweise mal. Aber die haben ja auch nicht mein kaltes Bier. Später erfahre ich, dass ein Grund dafür unter anderem der war, dass Sandra sich durch die Sohle ihrer Chucks eine Glasscherbe in den Fuß gerammt hat und sich ihr Schuh daraufhin langsam mit Blut füllte. Sanitäter mussten jedoch erst von der Nachbarveranstaltung abgezogen werden, denn bei uns gibt es nicht einmal einen Erste-Hilfe-Kasten.
Schließlich endet auch das dritte und letzte Konzert unserer privaten Tour. Wir feiern die Nacht noch lang und ausgiebig und auch mit reichlich Alkohol. Es kommt noch der Zeitpunkt, an dem Drummer Alex einen Schuh von Sandra nach dem DJ schmeißt, weil ihm nicht gefällt, was der so auflegt. Sandra muss danach erstmal etwa eine halbe Stunde ohne Schuh auskommen, denn der liegt ja nun oben beim Diskjokey und der Bereich ist ausschließlich für Personal erreichbar. Macht ja nix, der Fuß ist ja mittlerweile in einem dicken Verband eingewickelt.
Kathi und Holger hauen irgendwann in Richtung Ingolstadt ab, da sie dort bei Verwandten die Nacht verbringen werden. Chrissi und ich fahren mit dem Taxi in die Pension, Sandra bleibt bei ihrem Freund. Am nächsten Morgen wache ich auf und realisiere, dass ich tatsächlich in München bin…war dieses absolut geniale Wochenende also kein Traum?
Chrissi bleibt noch in München, um Schalke gegen Bayern im Stadion zu sehen. Sandra und ich fahren ziemlich abgewrackt mit dem Zug nach Ingolstadt, wo wir von Holger, der uns erstmal aufgrund unseres Aussehens auslacht, und Kathi empfangen werden. Die Fahrt bis Köln schlafe ich fast durchgehend. Ich merke, dass ich nun doch einfach nur noch erschöpft bin. Aber ich bin auch verdammt glücklich. In Leverkusen setzen Kathi und Holger mich dann am Bahnhof ab, damit ich mit der Regionalbahn heimfahren kann. Dass der Automat der Bahn mich um 5€ betrügt, juckt mich auch nicht mehr. Ich hatte ein geniales Wochenende mit drei mordsmäßigen Konzertabenden. Zudem habe ich unheimlich liebe Menschen kennen gelernt. Ich bin glücklich…und auf Alltag habe ich endgültig keine Lust mehr.