Allgemeine Sondaschul(e)reife – Das neue Album „Lass es uns tun“ – Review

Hinsetzen, Ohren auf – die Pause ist vorbei. Sondaschule veröffentlichen am Freitag ihr neues Album „Lass es uns tun“. Welche kniffligen Themen neuerdings auf dem Stundenplan stehen und welche Überraschungen das fünfte Studiowerk sonst noch bereit hält, erfahrt ihr exklusiv und ausführlich vorab hier.

Sie haben sich getraut und haben es getan – endlich gibt es Neues von der Ruhrpottband Sondaschule auf die Ohren. Zwölf Songs liefern sie druckfrisch zur Vorweihnachtszeit ab. Wo andere Schüler Weihnachtsmänner und glitzerende Grußkarten basteln, fabrizieren die Skapunker mit „Lass es uns tun“ ein Album, das überrascht. Sondaschule scheint erwachsen geworden zu sein. Frühere punkigfrech-hingerotzte Songs wurden abgelöst durch durchdachte Gesellschaftskritiken und abwechslungsreiche Experimente in Sachen Musikstil. Und doch: Irgendwie bleiben sie sich treu.

Die Songs im Einzelnen:

„Schöne neue Welt“ ist eine Klatsche von Intro. Der Song pult aggressiv in der Wunde aller Selbstdarsteller, die dank Facebook und Co. neuerdings den Großteil der Gesellschaft ausmachen. Getreu des Autors A. Huxley zeichnet Costa eine Dystopie, also eine negative (Zukunfts-)Vision unserer Generation – die leider schon Realität ist. Der Spaßpunk ist kritisch geworden. Dass der Song auch live funktioniert, ist spätestens seit der Wintertour klar. Auch die folgenden zwei Songs „Deine Ängste“ und „Sklave der Uhr“ setzten sich kritisch mit dem Hier und Jetzt auseinander. Zum einen ist dort die Paradedisziplin der Deutschen: Das Sorgen und Meckern. Zum anderen haben wir uns dank Arbeit und Freizeitstress in die Sklaverei der Uhr begeben. Dabei arbeitet die Band auch die Urfrage der Szene auf: „Ist das noch Punkrock?“ Schon mal gehört dieses Jahr, liebe Jungs. Aber Sorgen wegen Ideenklaues sollte sich jetzt trotzdem keiner machen. Lieber zurücklehnen, Zeit mal Zeit und Sorgen mal Sorgen sein lassen, und den Rest des Albums genießen. Zum Beispiel die großartigen „Whohooo“-Chöre, die in vielen Liedern versteckt sind und Lust auf Konzerte machen. Trotz aller Kritik bleiben sie sich hiermit nämlich treu.

Nächste Stunde: (Groupie)-Geschichte mit „Sieh mich nicht so an“. Eher ruhig, aber mit der richtigen Portion Reggae und Ska erzählt Costa von seinen verflossenen Liebschaften und durchkämmt hierbei ein halbes Namenslexikon und den ollen Atlas gleich noch mit. Bleibt zu hoffen, dass der Tanzsong kein Vorbote für einen Imagewechsel der Band ist. Althergebracht ist der kommenden Song: „Irgendwie andersrum“. Munter gereimt wird der erfolgreiche Diskobesuch inklusive Delirium dank Alkoholexzess, in Worte gefasst. Ohne Saufgeschichte geht eben doch kein Sondaschulalbum. Dabei greifen sie jedoch tief in die Elektrokiste und lassen die Synthesizer wie Korken knallen. Ob sie dabei schon an Scooter denken mussten? In „Es ist wie es ist“ stellt diese Band nämlich gemeinsam mit dem Li-la-Launebär prominente Paten. Vorab wurde das Lied bereits als Single mit witzigen Comic-Video in der Klapse ausgekoppelt. Prominente Namensvetter des Songs gibt es übrigens auch: Urheber sind Böhse Onkelz, PUR und die Prinzen. Na dann: Her mit den Pillen.

„Für immer nie nüchtern“ ist einer von zwei langsamen Songs auf dem Album. Ehrlich und schnörkellos erzählt es über Alkoholismus bzw. Drogenmissbrauch ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu winken. Auf der Homepage der Schülas findet sich folgendes Statement: „Da fang ich selbst noch an zu heulen, der ist mächtig geworden.“ Chapeau Herr Kleinrensing, ohne Weiteres zu unterschreiben. Traurig-betrübt lässt das Lied einen berührt zurück, was dank der „Whohoo-Chöre“ am Ende nicht besser wird. Aber was will man machen? „Winken und Lachen.“ Zunächst irritiert deswegen wohl der nächste Song „Aber sicher“. Erst recht erscheinen Fragenzeichen im Gesicht, wenn der Sänger anfängt…ja was – zu erzählen. Ist Muff Potter etwa wiedergeboren? Nein, anstelle eines abschließenden Schreies als Übergang zum Refrain, ertönt erneut eine Elektrosymphonie. Logisch erscheint hier nix, aber der Ausspruch „Dididadada“ bleibt im Gedächtnis verankert. Schnell weiter geskippt (ein nicht so begeisterndes Stück ist zu verkraften) schlägt der Lateiner zu. Keine Sorge – nicht wörtlich genommen. Aber textlich beginnt nun der Carpe Diem (bzw. Carpe Noctem) Teil – ein Motivationskurs in drei Szenen. Die Kritik des ersten Teiles des Albums weicht nun der positiven Denkweise. Spätestens jetzt wird klar – Sondaschule ist erwachsen geworden. Sie wollen nicht mehr auf Biegen und Brechen Nummer Eins in den Charts  oder Spitzensportler wie auf dem Album „Volle Kanne“ sein. Das Lied „Leben geht weiter“ philosophiert aufbauend darüber, dass auch ein zweiter Platz kein Beinbruch ist. Und selbst wenn, gibt es einen guten Tipp mit auf den Weg: Aufstehen, Krone richten, weiterlaufen.

Das lateinische Schauspiel wird nun kurzzeitig unterbrochen. Vorhang auf für „Nie im Radio“ – Mathematische Formeln für Anfänger: Potenziert man die Hörerschaft, kann aus einem unbekannten Lieblingssong exponentiell ein Klassenschlager werden, vor dem selbst Castingshowkandidaten und Fastfoodketten-Toiletten nicht zurückschrecken. Der Song stellt punkig-rockig den Zwiespalt einer jeden großen Fanliebe dar. Erfolg gönnt man seiner Lieblingsband sicherlich, wenn es dann aber an das Teilen geht, hört die eine oder andere Verehrung auf. Wer mag schon gerne kleine Clubkonzerte gegen Stadiongigs tauschen. Außerdem kann auch der beste Song im Radio kaputt gedudelt werden. Eine Gleichung, das Patentrezept gibt auch die Band nicht. Der Zwiespalt bleibt ungelöst.

Aber weiter in der Lektion Lebensmut: Der vorletzte Song erzählt von einem traurigen Mädchen, das durch das Tanzen all ihre Sorgen vergisst. Ein modernes Märchen, welches bereits andere Bands beschrieben haben. Allerdings: Keinesfalls so poetisch, wie es die Ruhrpottler gemixt mit den wiederkehrenden Diskosounds geschafft haben. Der gefallene Engel, vergessen vom Schicksal, ist die neumodische Cinderella. Ja es ist deutlich, die Texte sind durchdachter, gar lyrisch. Dies zeigt sich auch im finalen Song „Lass es uns tun“. Das gleichnamige Album wird abgeschlossen mit einer lebensverliebten langsamen Nummer und der wohl schönsten Textzeile des ganzen Albums (wenn nicht sogar des gesamten Jahres): „Für den Regenbogen musst du Regen akzeptieren.“ Das Lied macht sprachlos und hinterlässt ein grinsendes Gesicht, in dessen Augen nur ein fettes „Danke“ glitzert.

Nur vierzig Minuten spielt die Musik auf dem fünften Sondaschule-Album innerhalb von zehn Jahren. Auf den ersten Blick könnte dies Routine bedeuten. Aber die Band hat sich wieder einmal neu erfunden, ohne sich fremd zu gehen. Sicherlich werden nicht alle Experimente, zum Beispiel die mit der Elektrokeule, allen Zuhörern gefallen. Aber live sehen die Nummern mit Sicherheit nochmal ganz anders aus. Trotz neuen Albums der Lieblingsband und vielen anderen musikalischen Leckerbissen dieses Jahr, haben es die Ruhrpottler doch wieder auf die Favoritenliste für das beste Album 2012 geschafft. Leute – kaufen, kaufen, kaufen!!! (Und nicht dem Radio verraten 😉 )

Homepage der Band

Facebookseite der Band

Jenny