Aufgepasst, gerade gesessen – nicht nur Kerze zwei des Adventskranzes brennt: Hier kommt der zweite Teil des Interviews mit der Sondaschule:
KT: Manche Motive tauchen in euren Songs immer wieder auf, haben sich aber auch gewandelt. In „Nummer 1 in den Charts“ und „Bis einer heult“ ging es ums Siegen, jetzt reicht es auch mal Zweiter zu sein. Ist Sondaschule erwachsen geworden?
Costa: Darüber hab ich noch nie nachgedacht. Bei „Bis einer heult“ habe ich nicht mich gemeint und bei „Nr. 1 in den Charts“ singe ich über einen Rapper, der unbedingt Platz 1 haben will. Aber das schafft man ja nur mit Kacke. Oder man singt wie Adele ein Lied, bei dem auch mir die Nackenhaare hoch stehen und ich mich frage: Wer ist das? Wenn ich dann höre, die ist gerade Nummer 1, denke ich zu Recht. Aber ich habe ja nie gesungen, dass ich die Nummer 1 werden will. Das wäre auch ein wenig zu hoch gegriffen und verdammt Quatsch. Aber wir waren auch schon immer der Meinung, dass man ruhig Zweiter werden kann. Und auch bleiben. Das ist nicht schlimm, das Leben geht ja weiter. Das sollte man nicht so ernst nehmen.
Chris: Zweiter muss man ja auch erstmal werden.
Costa: Ohne Scheiß: Wenn man dritter wird, dann sollte man sich umsehen.
Chris: Es kommt auch immer darauf an: Zweiter von wie vielen?
Costa: Ja, zweiter von zweien ist schon scheiße.
KT: Auf der einen Seite gibt es auf der Platte einen Song, der über den Wunsch nach durchzechten Nächten spricht, auf der anderen Seite spricht „Für immer nie nüchtern“ kritisch Alkoholismus an – was denn nun?
Costa: In „Irgendwie andersrum“ singe ich über mich, weil ich das Gefühl kenne, wenn ich aus der Disko komme, und sich alles dreht. Ich hab gerade auch schon wieder den Ellenbogen kaputt und weiß nicht wovon, aber es war nach einer Party. Ich bin um 11.45 Uhr nach Hause gekommen und meine Freundin hat schon seit 8 Uhr versucht mich zu erreichen – aber ich war ja an der Theke. „Für immer nie nüchtern“ ist dann wahrscheinlich so zwei Tage später, wenn der Kopfschmerz nachlässt und man sich überlegt: Ich glaub ich saufe doch nicht mehr. Aber das hält dann nur bis zum Wochenende an. Das ist eine Frage der Gesellschaft. Die Gesellschaft in Deutschland trinkt. Das bedeutet 90 % trinken, der Rest ist zu jung.
Chris: Oder nicht gesellschaftsfähig.
Costa: Christopher ist da ein gutes Beispiel. Der trink gar keinen Alkohol mehr – aus dem Grund. Er hat es total übertrieben, es hat sich alles gedreht und dann hat er alles verloren, was ihm heilig war. Das hat er gemerkt und macht es nun nie wieder. Schlussendlich werden in den beiden Songs eben beide Sichtweisen wieder gegeben. Es gibt immer ein Ying und Yang. Heute auf der Releaseparty wird es „Irgendwie Andersrum“ sein, da bin ich mir sicher.
KT: Wie kam es zu Sondahero? Zockt ihr selbst oft zusammen?
Chris: Nee, ich zocke immer alleine, aber ich dachte, ich muss mal von der Konsole weg. Wir haben uns überlegt, dass jeder sehr schnell dieser Konsolensucht verfällt. Es wäre ja viel geiler, wenn man anstelle wie bei Guitar Hero, wo man auf gelbe und grüne Tasten drückt, auf einem echten Instrument lernt. Ich hab noch nie jemanden gesehen, der mit dieser X-Box-Gitarre auf der Bühne stand. Wir dachten, wir tun mal was für die Jugend.
Costa: Es war einfach die Idee, den Rock’n’Roll zu bringen. Metallica hat Guitar Hero, wir haben eine Musik DVD, bei der man einfach mitmachen kann. Das hat nur den Look eines Spiels, ist aber ein Lehrprogramm. Wir mussten für die DVD von der FSK eine Genehmigung einholen. Die haben uns dazu verdonnert den Aufkleber, oder sogar einen Aufrduck, draufzumachen. Die FSK hat festgestellt, es ist ein Lehrprogramm. Und wenn eine Sondaschule ein Lehrprogramm entwickelt, dann darf sie es nicht mit einem Konsolenspiel vergleichen. Vor allem nicht mit einem, hinter dem Millionen stecken. Wir haben das alles in Eigenregie selbst gemacht. Keine einzige Firma war mit am Werk. Dafür saßen wir Monate lang am Rechner. Wir haben das nur gemacht, weil wir es so lieben und natürlich, weil wir es selbst spielen wollten. Zusammen spielen konnten wir es alles allerdings noch nicht. Ich muss aber trotzdem zugeben, dass auch ich dem Konsolenwahnsinn im Allgemeinen verfallen bin.
KT: Was ist aus der DVD geworden, die ihr seit 2009 versprecht?
Costa: Wir haben schon geschnittenes, gutes Material für 30 Stunden. Ich hab nur einfach nicht die Zeit, zu überlegen, was wir jetzt daraus machen, weil so Dinge wie Sondahero unheimlich viel Zeit kosten. Bei der letzten DVD hatte ich ein Jahr nichts zu tun und saß wirklich das komplette Jahr vor dem Rechner und habe geschnitten, gemacht und getan. Darauf hab ich einfach keinen Bock. Dann will ich lieber Lieder schreiben und Musik machen; die Dinge, die mich erfüllen. Irgendwann wird eine neue DVD kommen, vielleicht wenn es die Band schon zehn Jahre nicht mehr gibt, oder wenn ich 80 Jahre alt bin. Dann habe ich zehn Jahre Zeit mir den Wahnsinn anzugucken und ein Jahr zum Schneiden.
KT: Die Frage des Jahres: Seid ihr noch Punk und was ist heutzutage überhaupt noch Punk?
Costa: Ich find ja sehr lustig, dass in eurer Review steht, dass sich „Deine Ängste“ mit diesem Thema beschäftigt, weil die Zeile „Was darf ich wirklich machen, was ist Punk“ vorkommt. Dann schreibt ihr „Das hab ich dieses Jahr schon mal gehört“. Wann glaubt ihr, schreibe ich die Songs? Am Donnerstag und am Freitag kommt die Platte raus? Also ich war vor dem Herrn Urlaub da. Wir haben nur sehr nahe Gedankengänge manchmal. Den Song selbst hab ich als einen der Ersten geschrieben. Er bezieht sich vor allem auf unsere Fans, die uns nach der „A bis B“ gesagt haben, dass es überhaupt kein Punk mehr ist. Da habe ich gedacht: Was darf ich denn machen? Was ist denn wirklich Punk? Unter dem Motto: Du kannst mir mal am Arsch lecken. Denn das sind deine Ängste und nicht meine. Mich interessiert deren Meinung nicht. So kam dieser Satz auf das Album.
Punk ist einfach, wenn man macht, was man für richtig hält und will. Wenn die denken Punk ist irgendwas, dann sollen die dat tun. Ich glaub Punk ist gar nüschts. Punk ist Lifestyle, Lebenseinstellung, mehr nicht. Kann doch jeder für sich entscheiden, was Punk ist, oder nicht.
Chemokeule: Ein Punk wohnt definitiv nicht zu Hause bei Mama.
Costa: Ja genau. Und er studiert nicht Medizin und erzählt uns, wir wären kein Punk mehr, weil wir versuchen von der Musik zu leben.
Chris: Mittlerweile steht Punk ja auch mit Strasssteinchen auf dem H&M Shirt. Aber wenn meine Oma das trägt, ist das sicher wieder Punk.
Costa: Tierisch – aber die studiert dann auch Medizin und wohnt zu Hause mit Mutti. Alle Rentner sind Punks. Die kriegen auch Geld vom Staat – das sind doch Schnorrer. Die könnten doch arbeiten gehen. Scheiß Punker.
Chemokeule: Ja, 50 Jahre alte Wohnungseinrichtung, jeden Tag die gleiche Scheiße. Und die gehen immer mit dem Jutebeutel einkaufen.
Costa: Und mit so einem Wägelchen, das voll ist mit Schnaps. Die kaufen keine Plastiktüten. Das sind Punks, so sieht’s aus.
KT: In „Nie im Radio“ spielt auch Menderes aus DSDS mit; euer früherer Ersatzgitarrist Sebastian Dey hat bei „Unser Star für Baku“ mitgemacht. Was haltet ihr von Castingshows?
Chris: Castingsshows sind uns eigentlich scheiß egal. Menderes wird auch nur erwähnt, weil der jeden Tag bei Costa an der Arbeit vorbei gefahren ist.
Costa: Ja, das stimmt. Der ist immer mit seinem rosa Frauenrad vorbei geradelt. Grundsätzlich finde ich, dass jeder Mordseier hat, der zu so was wie einer Castingsshow hingeht. Ich würde mich das gar nicht trauen. Aber ich hab auch gar keine Lust dazu, mich vor irgendwelche Leute zu stellen, die nur dazu da sind, um mich fertig zu machen. Dieses Prinzip – außer vielleicht bei The Voice of Germany, wo es zunächst auf die Stimme an kommt – gefällt mir nicht. Aber das soll jeder für sich selbst entscheiden. Aber das unser Kumpel bei „Unser Star für Baku“ war, habe ich erst mitbekommen, als er schon aufgetreten war. Wir waren im Studio und auf einmal stand mein Telefon nicht mehr still. Da haben mir mehr Leute eine SMS geschrieben, als jemals nach einem Konzert von uns. Fernsehen hat doch eine wahnsinnige Macht. Dey hat mich erstmal gefragt, ob ich ihn jetzt scheiße finde, weil er dort war. Meine Antwort war nur: Nein, du hast Mordseier, dahin zu gehen. Er hat das ja nur für seine Frau und Kind gemacht, weil seine Frau immer gesagt hat, du willst doch unbedingt Musik machen. Nur damit sie ihn nicht voll labert, ist der dahin gegangen. Es konnte ja keiner ahnen, dass die den nehmen.
KT: Ihr habt ein Streetteam gegründet – Wie kam es dazu und war der Andrang groß?
Chris: Vor ein paar Jahren gab es bereits schon mal ein Streetteam, in dem echt viele Leute waren. Aber über die Jahre ist das versackt, vor allem weil es das Forum nicht mehr gab. Und in Zeiten dieser schönen neuen Welt, dachten wir uns, wäre es doch schön, den Leuten, die Werbung für uns machen wollen, einen Brief zu schreiben. Die Idee ist sehr gut angekommen. Wir hatten eine ewig lange Excel-Liste mit Namen. Irgendein Schlaumeier wollte die dann alphabetisch sortieren und hat das auch gemacht. Nur leider hat er dabei nur die Vornamen geordnet, der Rest blieb gleich. Deswegen hat jedes Streetteam-Mitglied nun einen anderen Vornamen. Aus Jasmin wurde zum Beispiel Peter. Die meisten Briefe kamen zum Glück aber trotzdem an.
Costa: Wir haben weit über 1.000 Briefe verschickt und hatten schlussendlich nur einen Rückläufer. Am Anfang fand ich diese Vornamenaktion ziemlich beschissen. Weil ich es nicht schuld war, hab ich mich aufgeregt. Ich bin so ein Kontrollfreak. Mittlerweile ist das ja total lustig. Ich fand es am Anfang nur bescheuert, denn wenn jemand schon so nett ist und für uns durch die Gegend läuft, sollte man demjenigen auch respektvoll entgegen treten – selbst wir – und zumindest den Namen richtig schreiben. Mit einem lustigen Nachnamen wäre es vielleicht lustiger gewesen. Klar, dann wären die Briefe nicht angekommen. Aber jeder hat ja lieber einen lustigen Nachnamen. So wie ich – Costa Cannabis. Aber Thomas Cannabis ist dann schon nicht mehr so geil. Aber Costa Wollknäul wäre dann schon wieder cool.
KT: Die Tickets für die Realeaseshow sind fälschlicherweise mit dem Datum in 2013 rausgegangen. Was würdet ihr machen, wenn ihr in die Zukunft reisen könntet oder was würdet ihr auf einem Trip in die Vergangenheit vielleicht ändern?
Costa: Erstmal zu dem Druckfehler. Die Karten für die Tour 2013 habe ich designt und bin dann nach Shanghai geflogen. Dann wurde klar, dass am 16.11.2012 in Bochum die Releaseshow statt findet. Derjenige, der die Daten auf die Karten gesetzt hat, hat in seinem Wahn 2013 geschrieben und gar nicht drüber nach gedacht. Ich weiß nicht, ob der besoffen auf der Arbeit war. Soviel dazu. Sobald man andere irgendwas machen läst, wird es nicht gut. Das ist nun mal so. Da machen wir das lieber alles selbst.
Chemokeule: Wenn wir in die Vergangenheit zurück reisen könnten, würden wir den Chris selbst zeugen, damit der besser werden würde. So was machen wir auch lieber selbst.
Costa: Und den Bassisten würden wir uns dann auch ficken.
Chris: Als ich 15 war, hätte ich hier nicht angefangen. Dann hätte ich Abi gemacht, studiert, Geld verdient und Freunde gefunden.
Costa: Dann würde ich in die Zukunft reisen, sagen wir mal so zehn Jahre, und mir den Chris angucken und mit dem einen Saufen. Ich würde mich wohl den ganzen Abend königlich amüsieren, weil er den Humor gar nicht mehr verstehen würde. Aber vielleicht würde ich auch lieber zwanzig Jahre zurück reisen und Mark Zuckerberg die Idee klauen. Genau, dat würde ich machen, und dann genauso durchziehen, damit ich die Milliarden bekommen.
Chemokeule: Wenn du mehrere Milliarden hättest, würdest du durchdrehen. Dann müsstest du auf alle aufpassen, die für dich arbeiten und dein Geld kontrollieren.
Costa: Nee. Dann würde ich mir eine Milliarde in die Hosentasche stecken und mit dem Rest können die machen, was sie wollen. Dann geh ich jeden Tag mit meinem Köfferchen durch die Gegend und hab Spaß.
Chemokeule: Und dann würde ich dich anrufen – „Hey meine Milliarde ist schon alle, leihst du mir noch so eine, ich will heute noch zum Fußball!“
Costa: Deswegen – uns besser keine Zeitreisen anbieten!
KT: Und zuletzt – die berühmten letzten Worte?
Costa: Ich bin ein Berliner
Chris: Rechts ist frei.
Chemokeule: Sieg heil.
Costa: Druckt rechts ist frei – das ist der beste Satz der kommen kann. Herrlich.
Wir bedanken uns für dieses feuchtfröhliche Interview und verabschieden uns mit einem freudigen Sondaschule, Sondaschule – hey hey!
Sabrina und Jenny